Zur Geschichte des Linde Kaffee

Getreidekörner, Wurzeln der Zichorie oder Feigen lassen sich rösten. Mit heißem Wasser aufgegossen entsteht ein Getränk vom Geschmack nicht unähnlich echtem Bohnenkaffee. Dieser war schon immer sehr begehrt aber auch teuer und mitunter schwer zu bekommen, sodass Ersatzkaffee (Mocca faux - Muckefuck) oder Zusatzkaffee (Kaffeewürze) insbesondere in wirtschaftlich angespannten Zeiten mit Handels-beschränkungen (Preußische Kaffeeprohibition, Napoleonische Kontinentalsperre, Weltkriege, Importbeschränkung in der ehemaligen DDR ...) sehr verbreitet waren. Sehr beliebt waren die Produkte der Firmen Franck und Kathreiner, die im Jahr 1943 (in einigen Quellen wird 1944 angegeben) fusionierten.

Herstellung von Ersatzkaffee aus der Zichorienwurzel

Man konnte aber Körner und Bohnen auch selbst rösten – Kaffeeröstertrommeln findet man auch heute noch auf Flohmärkten.

Röstpfanne mit Griff, Deckel und Schwengel

Johann Heinrich Franck gründete schon 1828 eine erste Zichorienfabrik in Vaihingen in Deutschland und legte so den Grundstein für einen großen Konzern, der später (1869) aufgrund der besseren Bahnverbindung nach Ludwigsburg übersiedelte. 1879 wurde als erste Auslandsgründung der Zichorien-Kaffeesurrogat-Fabrik Heinrich Franck Söhne eine Zweigniederlassung in Linz eröffnet. Zwischen 1883 bis 1911 wurden in allen Teilen der Habsburgmonarchie Zweigniederlassungen gegründet. Der Familienbetrieb wurde 1926 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und 1943 mit dem Malzkaffeekonzern Kathreiner fusioniert, die Unternehmenszentren übersiedelten bereits 1939 nach Berlin. Der Betrieb zeichnete sich durch viele Sozialleistungen (Franck-Geist) aus, Mitarbeiterwohnungen, eine Schule und ein Kindergarten wurden geschaffen, die Familie Franck engagierte sich aber nicht nur in identitätsstiftender sozialer sondern auch in künstlerischer, karitativer und wissenschaftlicher Hinsicht. Die ältere Linzer Feigenkaffeefabrik Titze wurde 1971 eingegliedert. Aber bereits ab 1910 war Franck Mehrheitseigentümer der Adolf Titze GmbH.

Im Jahr 1829 gründete der Münchner Kaufmann Franz Kathreiner ein Kleinunternehmen, das sich zunächst auf die Herstellung von Brennöl spezialisierte und ab 1842 als Gewürz-, Farben- und Kolonialwarenhandlung betrieben wurde. Am 1. April 1870 übernahm der Kaufmann Emil Wilhelm das Geschäft von den Kathreiner-Erben und führte es gemeinsam mit seinem im Jahr 1876 hinzu gekommenen Kompagnon Adolph Brougier unter der Bezeichnung Franz Kathreiners Nachfolger (FKN) weiter. Unter Wilhelm und Brougier wuchs das Unternehmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem der größten und bedeutendsten Lebensmittelhändler in Deutschland heran mit einer sehr breiten Produktpalette, darunter auch Kaffee und Ersatzkaffee. 

Eine Tochterfirma der später in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Firma - die Firma Kathreiner's Malzkaffee Fabriken - fusionierte 1943 - wie bereits erwähnt - nach Jahren recht heftiger Konkurrenz - wiewohl seit 1912 in einer gemeinsamen Holding-Gesellschaft - mit der Ludwigsburger Firma Heinrich Franck zu Franck-Kathreiner’s Malzkaffee (Franck und Kathreiner GmbH). Der Firmensitz ist Wien. Als "Franck und Kathreiner - FraKa" waren sie für die übriggebliebene Konkurrenz unschlagbar geworden. Bekannteste Produkte waren neben dem Kneipp'schen Malzkaffee, der Caro Landkaffee und die ab 1939 hergestellten Linde-Produkte. Die Produktion wurde später von Nestlé übernommen.

Vom 1. Dezember 1989 bis zum 1. Dezember 1990 gab es im Städtischen Museum Ludwigsburg eine Austellung mit dem Titel "Die Hauptstadt der Cichoria". Im Ausstellungskatalog wird die Erfolgsgeschichte der Kaffeemittelfirma Franck sehr detailliert dargestellt, ein paar Information gibt es auch zu den Linde`s Produkten. Linde`s und Caro verdrängen als Mischprodukte nach und nach den reinen Zichorienkaffee und werden in den 50er Jahren zum Verkaufsschlager. "Die blauen Punkte sind geradezu zum Inbegriff einer hoffnungsvollen Nachkriegsgeneration geworden" (Ausstellungskatalog S. 133).

 

 

Die Gestaltung der Kathreiner-Packungen war wohl Vorbild für das spätere Design der Lindes`s Packungen ... Diese Mini-Schaupackung lässt es zumindest vermuten.

Zwar auch in der Kriegszeit (konkret ab 1939/1940) produziert, waren die Produkte der ursprünglich wohl eigenständigen Firma Gebr. Linde G. m. b. H. (Fritz und Karl Linde) in der Nachkriegszeit Marktführer mit Linde`s Kaffee in Deutschland und Österreich. In Österreich wurde schließlich im Jahr 1947 der Name auf Linde geändert. Niederlassungen dieser Firma gab es in Berlin, Dortmund (Hörde), Wien und Linz. Ab wann genau die Firma Gebr. Linde G. m. b. H. Teil der Kathreiner Ges. m. b. H. bzw. von Franck-Kathreiner wurde, kann ich aktuell noch nicht angeben, einige Dokumente sprechen für das Jahr 1900. Die Firma Linde (Linde`s) gibt es jedenfalls schon lange, denn bereits im Jahr 1892 wurde der Firma Gebrüder Linde als Kaffee-Essenz-Fabrik in Hörde eine Dampfmaschine der Maschinenfabrik Augsburg AG (ab 1908: MAN) zur Herstellung von Kaffee-Essenz aufgebaut. Am 30.10.1899 wurde die Wortmarke Linde beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für Waren und Dienstleistungen der Klasse(n) 29 und 30 zur Registrierung angemeldet. Die Klasse 30 umfasste Malzkaffee, Kaffeesurrogate, Essenz für Kaffee, Essenz für Tee, Tee, Kaffee, Zucker, Biskuits ... In den Jahren 1899/1900 reicht Fritz Linde bei der amerikanischen Patentbehörde Patente für die Herstellung von Malzkaffee ein. In diesen Dokumenten wird er bereits als Assignor der Kathreiner´s Malzkaffee-Fabriken in München bezeichnet. Mein ältestes Originaldokument ist eine Rechnung aus dem Jahr 1911.

Spielzeug war in der Nachkriegszeit ebenfalls rar, sodass die Idee in die österreichischen Packungen Spielzeug im Sinne von Werbebeigaben zu geben, den Umsatz steigerte und aufgrund des Sammelns Kundentreue garantierte. Diese Kaffeebeigaben wurden ab 1955 (?) von den verschiedensten und nur teilweise bekannten Firmen in Österreich und in Deutschland, aber auch im Ausland erzeugt, mit entsprechenden Kennungen in verschiedenen Schriftzügen (aufklebbare Pickerl, Heißprägungen in Frakturschrift oder später mitgegossene Kennungen) versehen und waren unter Kindern sehr beliebt. Nach einer Pause von 1958 bis 1961 wurden ab Juni 1961 in der Firma Franck & Kathreiner in der Franckstraße 2 in 4020 Linz diverse Figuren und andere Beigaben mit einer eigenen Spritzgussmaschine der Firma Engel aus Schwertberg in Oberösterreich - die erste dieser Maschinen wurde 1952 gebaut - selbst hergestellt. Auch die Spritzformen stammten zum Teil aus Schwertberg. Diese Figuren wurden z. T. auch in Plastiksäckchen verpackt und den FraKa-Produkten (Linde, Titze, Kathreiner, Ara ...) beigegeben. Andererseits wurde (die firmeneigenen Spritzgussmaschen konnten den Bedarf an Beigaben nur zu einem Drittel abdecken) Spielzeug aber auch zugekauft, so von den Firmen Manurba, Heimo, Heinerle, Jean Höfler, Roco, Tito, Gama, Kellermann ... Daher gibt es viele der Linde-Beigaben auch ohne Kennungen oder mit entsprechenden Kennungen von anderen Firmen (Titze, Morli, Korona ...). In Gegenden (z. B. Gloggnitz, Schwertberg, Perg, Steyr), wo solche Spritzgussmaschinen und entsprechende Formen ("Werkzeuge") oder die Figuren selbst hergestellt wurden, findet man daher mitunter Figuren mit seltenen oder bizarren Farben (Probegüsse?), die wohl nie im Kaffee waren. Ob nachgemachte Figuren - möglicherweise gibt es ja die Werkzeuge noch - dzt. am Markt sind, lässt sich nicht ausschließen. Auch gefälschte Pickerl lassen sich nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. In den 70er Jahren wurde diese Form der Werbung eingestellt, erlebte aber in den 90er Jahren (Sammelkärtchen) und in den 2000er Jahren (Walt Disney Serien) eine Renaissance. Eine exakte zeitliche Zordnung der Beigaben ist derzeit noch nicht möglich. Aber diverse Publikationen und Zeitzeugenberichte z. B. durch Gespräche im Museum ermöglichen langsam eine Rekonstruktion. Über den Verbleib der Werkzeuge, die Künstler, die zum Beispiel die Figuren gestalteten, die Produktionsorte und vieles mehr, gibt es keine mir bekannten Unterlagen.

Verschiedene Arten der Kennung

Im Jahr 1973 wurde die Firma Linde Teil der Nestlé Food Company und die Geschichte der Kaffeebeigaben fand ein Ende. Linde- und Linde`s-Kaffee sind aber bis heute in den bekannten Packungen mit den blauen Punkten auf weißem Grund erhältlich. Das neueste Design (Packung rechts) gibt es erst seit 2019. 

Am 16. und 17.12.2017 erhalte ich folgende Mails von Fr. Julia Schneider, die ich mir erlaube in diesen Abschnitt der Homepage einzufügen:

Lieber Herr Oberlerchner,

 

ich bin die Ururenkelin von Fritz Linde aus Dortmund und bin bei der Erforschung der Familiengeschichte auf Ihre tolle Seite gestoßen. Leider wissen wir selbst auch nicht, wann genau die Firma Gebr. Linde GmbH gegründet bzw. vollständig verkauft wurde. Fritz Linde starb 1915, sein Bruder Carl ca. 1912 und wir "vermuten", dass Fritz die Muckefuck-Sparte schon vor seinem Tod vollständig verkauft hat, weil laut Familienlegende das Geld aus dem Verkauf der ersten großen Inflation zum Opfer fiel. Die Firma selbst hat unter Leitung seiner Söhne jedoch noch bis mindestens 1939 weiterexistiert und andere Produkte wie Suppenwürze hergestellt.

 

Viele Grüße und danke für die vielen hilfreichen und interessanten Informationen rund um Linde's Kaffee.

 

 

Lieber Herr Oberlerchner,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Gerne hinterlasse ich Ihnen nachher auch noch einen Eintrag in Ihrem Gästebuch, vorab wollte ich Ihnen aber noch ein paar Infos zu den Lindes geben:
Fritz & Carl Linde entstammten einer Familie aus Nordhorn, die anscheinend eine kleine Brauerei und ein Hotel betrieb, daher vielleicht die Affinität zu Getränken. Wir als Familie fanden die Sache mit dem Patent, das Fritz laut Ihrer Website anmeldete, sehr erheiternd, weil er in Sachen Ersatzkaffee deutlich mehr Kreativität als bei der Namensgebung seiner Kinder bewiesen hat. Fritz hatte nämlich u. a. zwei Söhne, die er wiederum auch Fritz und Carl nannte, was bei uns lange für Verwirrung in Sachen Gebrüder Linde GmbH geführt hat. Fritz jun. wurde aber Arzt, Carl jun. (mein Urgroßvater) hingegen stieg 1919 in den Familienbetrieb ein und führte ihn bis 1939. Schön ist vielleicht auch zu erwähnen, dass Fritz sen. wohl aufgrund seiner beruflichen Auseinandersetzung mit Technik und technischem Fortschritt insgesamt für seine Zeit recht progressiv eingestellt war. Seine jüngste Tochter durfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Ausland Medizin studieren und als Ärztin praktizieren.

An Unterlagen und Sachen zur Firma ist heute leider nichts mehr vorhanden. Wir vermuten, dass alles dem Feuer zum Opfer gefallen ist, als das Haus in Dortmund im 2. WK zerbombt wurde.

Viele herzliche Grüße

 

Julia Schneider